Jürgen Heller: Lange Schatten im Oktober

Der zweite Bruno-Hallstein-Roman spielt in seiner Heimatstadt Berlin, hauptsächlich in den Bezirken Reinickendorf und Mitte. In seinem Wohnort Tegel wird er bei einem Spaziergang Opfer eines Unfalls. Eigentlich wollte er nur die ihm anvertraute Hündin ausführen, aber oben auf der Tegeler Sechserbrücke rennt ihn ein offenbar in Panik fliehender Mann brutal um. Im Nachhinein glaubt Bruno zu wissen, wer das war, sein alter Klassenkamerad Lutz Strehlow. Ob der ihn auch erkannt hat? Das könnte von Belang sein, denn etwa zur gleichen Zeit wird in unmittelbarer Nähe eine unbekannte tote Frau entdeckt. Und es kommt noch dicker, Bruno bekommt eine schriftliche Einladung zu einem Klassentreffen. Einladender und Veranstalter ausgerechnet der Rüpel Lutz Strehlow. Zufall? Falle?
Bruno wäre nicht Bruno, wenn er sich durch solche Fragen von eigenen Nachforschungen abhalten ließe. Obwohl wirklich kein Held, gelingt es ihm doch kraft seiner Systematik, sich Schritt für Schritt der Auflösung der verzwickten Geschichte zu nähern. Dabei begegnen ihm alte Stasiseilschaften und Manager, die sich jahrelang mit fragwürdigen Ost-West-Geschäften persönlich bereichert haben. Die Konstellation mit den beiden deutschen Staaten und ihrer durch eine Mauer geteilten Hauptstadt schuf dafür die besten Voraussetzungen. Dann aber geschieht das Unfassbare, die Mauer fällt! Alles ist plötzlich anders. Das scheinbar perfekte Geschäftsmodell, gestrickt aus Korruption, Betrug und Repressalien, funktioniert auf einmal nicht mehr. Durch den Wegfall der Mauer reichen die langen Schatten der Vergangenheit auf einmal viel weiter und erreichen auch Bruno.
Aber er hat Verbündete, Freunde, die ihn unterstützen. Die einen, meist männliche, sorgen für die gute Verpflegung, die anderen, durchweg weibliche, für die gute Stimmung und ein paar emotionale Turbulenzen. Wie schon im ersten Roman wird Bruno Hallstein mehr oder weniger durch Zufall Detektiv und irgendwie macht es ihm auch wieder Spaß. Deshalb überwindet er auch immer wieder die Phasen, in denen er zweifelt und ihm sein Verstand sagt: Hör auf Bruno. Wäre ja auch wirklich schade für den Leser. Er würde verpassen, dass auch ohne blutrünstige Außerirdische und ohne Massenschlachtungen Spannung erzeugt werden kann. Und das vor ganz normalem und realistischem Hintergrund. Und da Bruno überlebt, das kann man schon verraten, wird es in Zukunft sicher weitere Aufregung geben.

Über Jürgen Heller

Ich liebe Kriminalliteratur, die ohne Blutrünstigkeit und Abartigkeit auskommt. Darüber hinaus bin ich begeisterter Hobby-Fotograf und Videofilmer. Insbesondere die Nachbearbeitung am Computer bereitet mir höchstes Vergnügen.