Hans J. Unsoeld: Übliche Grenzüberschreitungen

Ist die Philosophie zu einer trocknen akademischen Disziplin geworden, welche nur Wissensgebiete auslotet und keine Eigendynamik mehr hat? Früher hatte sie entscheidende Anstöße von Abenteurern wie Odysseus, Marco Polo und Kolumbus und von weitgehend außerhalb der Gesellschaft stehenden Menschen wie Leonardo da Vinci oder Galileo Galilei bekommen.
Der Autor hatte in vier Büchern bereits beschrieben, wie eine bisweilen abenteuerliche ungewöhnliche Nachkriegsentwicklung ihn zu einer neuen modernen Philosophie abseits der an Hochschulen etablierten Wege geführt hat. Nicht Fragen nach Entstehung und Vergehen, Einordnen und Abgrenzen, sondern die Entwicklung selber steht dabei im Mittelpunkt. Abenteuer scheinen die Menschen wieder und wieder entscheidende Schritte voran zu bringen. Die etablierten Wege führen zu Wachstum, welches Grenzen respektieren muss, während Entwicklung in einem allgemeineren Sinn durchaus bestehende Grenzen überschreiten kann. Damit gemeint sein können gleichermaßen Naturvorgänge, unser privates Leben (z.B. Tabus) als auch das politische und wirtschaftliche Leben (Grenzkonflikte).
In möglichst knapper, aber lebendiger Darstellung wird gezeigt, dass die bisherige klassische Philosophie im wesentlichen auf Raum- und Zeit-Vorstellungen beruht, ähnlich wie die Funktionen der klassischen Mathematik, auf welcher Vorstellungen von Wachstum basieren. Die neue Mathematik der Fraktale dagegen, welche bislang meist nur durch schöne geometrische Figuren bekannt waren, kann Vorstellungen von Entwicklung begründen, die von den Dimensionen Raum und Zeit weitgehend unabhängig und statt dessen von den Unterschieden aufeinander folgender Generationen bestimmt sind.
Humanistischen Kategorien wie richtig und falsch, gut und böse oder authentisch und „fake“ ändern sich auch im Laufe aufeinander folgender Generationen. Zwischen diesen Extremen kann man sich daher auch wie bei Fraktalen zwischen Ordnung und Chaos orientieren. Ordnung bedeutet den logischen Anteil, Chaos dagegen denjenigen, der von hoher Komplexität herrührt. Einen Mittleren Weg können wir durch Abwägen zwischen den insgesamt acht Extremen finden, nämlich den genannten humanistischen und den beiden fraktalen Extremen. Es geht also nicht um einen achtfachen Weg als Ausdruck von acht verschiedenen Zielen, wie der Budhismus auf den ersten Blick suggerieren mag, sondern um vom Einzelnen oder der Gesellschaft selbst zu findende Leitlinien unter Vermeidung von acht Extremen.
Um das Finden einer Leitlinie als unsere eigentliche natürliche Aufgabe aufzuzeigen, ist der Autor in das Kostüm eines Raben geschlüpft, der die Situation in ganz unterschiedlichen Bereichen der Welt erfahren möchte,- nicht nur aus intellektueller Perspektive, sondern bisweilen Abstand nehmendn und dann pickend gleichsam animalisch, also gefühlsmäßig, durchaus auch sexuell und im Laufe selbstbestimmter Aktivitäten. Nicht ganz ernst gemeint wird das Herumflattern genannt, meint aber das Suchen von Leitlinien und Zielen.
Heuristik stellt sich also als wichtig heraus. Wie kommen wir zu neuen Zielen? Kontraste im eigenen Leben können dazu beitragen, auch in kultureller Hinsicht. Die Unterschiede zwischen Asien und Europa, im vorliegenden Fall zwischen Thailand und Deutschland, können einem die Augen für weit mehr als nur touristische Ziele öffnen, vor allem für das eigentliche Wesen von Entwicklung.

Über Hans J. Unsoeld

Geboren 1936 in Kiel, hat den Krieg noch miterlebt, ab 1957 Physikstudium, dann Mitarbeit an biologischen Forschungsprojekten. 1976-2009 als Dokumentarfilmer in München und später als alleinerziehender Vater mit Taxifahren durchgeschlagen. Spezialgebiet Lateinamerika, insbesondere Mexiko, zeitweise Bezirksleiter bei Amnesty International. Nach 1990 oft in Russland, leitete später einen deutsch-russischen Kulturklub.
Entscheidende Auslandsjahre auch in der Schweiz, USA, Frankreich, Italien und der Ukraine. Wirklich spannend wurden fünf Jahre in Asien mit Schwerpunkt in Thailand (auch in Indien, Laos, Kambodscha und Indonesien). Diese brachten intensive Beschäftigung mit den Grundlagen des Lebens mit sich und führten zu einer neuen Philosophie der Entwicklung. Nach Eintritt der Diktatur in Thailand Rückkehr nach Berlin und Veröffentlichung von vier Büchern (eBooks).
Spricht, wenn auch nicht perfekt, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Russisch und Thai.